Luis & Josefine: Alle drei Wochen zur Bluttransfusion

Luis & Josefine: Alle drei Wochen zur Bluttransfusion

Luis hat halblanges Haar, blaue Augen und einen guten rechten Fuß. Wenn er dribbelt, passt und läuft, sieht er aus wie ein normales Kind. Wie andere Buben in seinem Alter träumt er davon, einmal Fußballer zu werden, in einem großen Stadion zu spielen. Dass daraus nichts werden wird begreift er noch nicht ganz. Seine Mutter hat ihm zwar erklärt, warum er alle drei Wochen eine Bluttransfusion braucht und wieso er jeden Tag eine Tablette schlucken muss. Aber was das genau bedeutet ahnt er noch nicht. Als Baby war er blass und nahm nicht zu. Bis die Ärztinnen und Ärzte entdeckten, dass er einen lebensgefährlich niedrigen Hämoglobinwert hatte: Aufgrund einer Genmutation kann Luis keine roten Blutkörperchen bilden, die den Sauerstoff durch den Körper transportieren. Deshalb braucht er fremdes Blut, immer und immer wieder. Die extrem seltene Krankheit heißt Diamond-Blackfan- Anämie. Früher hatten chronisch transfusionsbedürftige Patienten eine niedrige Lebenserwartung, weil sich mit jeder Transfusion fremden Blutes auch Eisen im Körper ablagert, das die Organe schädigt. Heute helfen Medikamente, das Eisen abzubauen. Dass Luis ein normales Leben führen kann, hat er aber den Expert_innen des Österreichischen Roten Kreuzes zu verdanken. Sie haben ein besonderes System entwickelt, um aus tausenden Spender_innen das am besten passende Blut herauszufiltern.

Optimatch – für jeden das passende Blut 100 Patient_innen sind Teil eines Spezialprogramms des Blutspendedienstes des ÖRK, darunter auch Luis. Von Februar 2012 bis Juni 2015 hat er 48 Blutkonserven erhalten – bis jetzt ohne Komplikationen. Das ist nicht selbstverständlich, denn Blut verabreicht zu bekommen ist wie eine Organtransplantation. Damit sich das Immunsystem nicht gegen besondere Eigenschaften des fremden Blutes – die sogenannten Antigene – wehrt, ist es zunächst wichtig, das Spenderblut genau zu kennen. Die Mitarbeiter_innen analysieren es und speisen die Ergebnisse in eine Datenbank. Diese umfasst mehr als 25.000 „Antigen-Profile“ mit 44 Merkmalen von Blutspender_innen, aus denen ein Algorithmus dann jene Konserve auswählt, die am besten zu Luis passt. Klingt einfach, aber hinter diesem „Matching“ steckt viel Know-how. Wenn nötig werden auch Antigen-Profile mit 60 Merkmalen erstellt: Das können auch international nur wenige Labors. Josefine, die Schwester von Luis, hat ebenfalls Diamond-Blackfan- Anämie. Gemeinsam fährt die Familie regelmäßig ins St. Anna Kinderspital, um die altbekannte Prozedur über sich ergehen zu lassen.

Zunächst der Stich in den Finger, um den Hämoglobinwert zu bestimmen. Liegt dieser nur mehr knapp über Neun ist es Zeit für die Transfusion. Dann kommt der Mann vom Roten Kreuz mit der Kühlbox, um das Blut der Kinder zum Matchen ins Labor zu bringen – weil jedes Mal überprüft wird, ob sich darin seit dem letzten Mal Antikörper gebildet haben. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt unter einem Prozent. Die Konserven werden ausgewählt, und am nächsten Tag packt die Familie ihre Spielsachen und bezieht ein Zimmer im St. Anna Kinderspital. Die Kleinen spielen, dürfen das iPad benutzen und Tante Ida bringt Käsebrote. Ein Ritual, auf das sich die Kinder beinahe freuen. Wäre da nicht der Plastikschlauch in der Armvene, durch den das Blut eines Spenders oder einer Spenderin in ihren Körper rinnt, damit sie weiterleben können. Nach rund sechs Stunden ist alles vorbei, und draußen wartet wieder die normale Welt auf sie. „Die Tablette für den Eisenabbau zu schlucken ist für die Kinder normal, fast schon wie Zähneputzen“, sagt die Mutter. „Manchmal fragen sie, warum sie schon wieder ins Spital müssen. Dann erklär ich ihnen, dass der menschliche Körper sehr kompliziert ist, und dass bei ihnen die Bildung roter Blutkörperchen eben nicht funktioniert. Mehr wollen sie noch nicht wissen.“

Im Herbst kommt Luis in die Schule, dann könnte er im Turnunterricht merken, dass er weniger schnell am Ball ist als seine Klassenkolleg_innen. Fußballer wird wohl keiner aus ihm werden, auch kein Spitzensportler. „Beim Berufswunsch sind wir im Moment bei Musiker – und Tänzerin bei Josefine“, sagt die Mama lachend. „Ich denke das größte Glück wäre etwas mit freier Zeiteinteilung zu finden, wo sie nach eigenen Kräften arbeiten können.“ Vom Nachschub getrennt zu werden ist das bedrohlichste Szenario für die Familie. „Wir sind abhängig von fremdem Blut, deshalb ist das Rote Kreuz so wahnsinnig wichtig für uns.“

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